1. Umfassende Beratung der Eltern bei der Diagnosestellung
Bei den meisten Eltern hörbehinderter Kinder findet nach der Diagnosestellung die Erstberatung bei einem (HNO-) Arzt statt.
Problematik:
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Lösungsvorschlag:
Einführung eines Beratungsscheines für Eltern mit einem hörbehinderten Kind: Der Beratungsschein soll eine einseitige Beratung durch den HNO-Arzt vermeiden und eine bessere Auseinandersetzung mit Hörbehinderten ermöglichen, indem die Eltern an einem verpflichtenden Schnupperkurs Gebärdensprache teilnehmen. Auch sollen sie Kontakt mit gebärdensprachorientierten hörbehinderten Erwachsenen haben. (Wichtiger Hinweis: Ertaubte und Altersschwerhörige sind hier nicht mit einbezogen, da sie als Kind eine Zeit lang hörend waren und somit eine andere Entwicklung durchlaufen haben. Diese besitzen noch eine Hörerinnerung und haben deshalb andere Bedürfnisse.) Aufklärung aller Ärzte und Behörden, dass eine elterliche Entscheidung gegen eine CI-Implantation und/oder gegen eine Hörförderung respektiert werden muss. Ebenfalls ist der Wunsch der Eltern, die eine Gebärdensprachförderung für ihr hörbehindertes Kind wünschen, zu respektieren. Dabei können gebärdensprachorientierte Beraterinnen und Berater, die selbst hörbehindert sind, die Eltern für die Hörbehinderung ihrer Kinder und für den Weg einer gebärdensprachlichen Förderung sensibilisieren. Ausbildungsinstitute (z.B. Universitäten) bzw. Weiterbildungsinstitute sollen Sensibilisierungs- und Aufklärungskurse mit gebärdensprachorientierten Dozenten anbieten, die selbst hörbehindert sind. Diese Kurse sollen für medizinische Studenten und für angehende bzw. bestehende (HNO-) Ärzte, aber auch für Auszubildende und Fachkräfte der Behörden aufgebaut werden. |
2. Gebärdensprache von Anfang an für alle hörbehinderten Kinder direkt nach der Diagnosestellung
Problematik:
Bis heute haben viele Eltern – teils massive - Schwierigkeiten, einen Hausgebärdensprachkurs finanziert zu bekommen. Die Frühförderinnen und Frühförderer der Förderschulen mit dem Schwerpunkt Hören und Kommunikation können zum Teil nicht gebärden bzw. weisen nicht das nötige Gebärdensprachniveau von mindestens C1 (Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen GER für Sprachen) auf. |
Lösungsvorschlag:
Kinder mit einer Hörbehinderung müssen von Anfang an die Gebärdensprache lernen, möglichst direkt nach der Diagnose. So kann bei ihnen eine sprachliche Deprivation bzw. eine kognitive Beeinträchtigung durch Kommunikationsbarrieren vermieden werden. Die gebärdensprachliche Förderung im Bereich der Frühförderung in der AO-SF wird sichergestellt. Zwei Absätze des Artikels § 22 sollen in der aktuellen Verordnung über die sonderpädagogische Förderung (Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung – AO-SF vom 29. April 2005) wie folgt erweitert werden: „(5) Die gebärdensprachlichen Förderungen (Elterngebärdensprachkurse, Einzelförderungen und Hausgebärdensprachkurse) umfassen bis zu 8 Stunden pro Schulwoche. Außerdem kann die gebärdensprachliche Einzelförderung in einem Förderschulkindergarten oder einer Kindertageseinrichtung mit Unterstützung durch die Förderschule stattfinden. (6) Die Lautsprache und die Gebärdensprache sind gleichberechtigte Kommunikationsformen in der Frühförderung.“ |
3. Umsetzung der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (Ausbildungsverordnung sonderpädagogische Förderung – AO-SF)
Problematik:
Die Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (Ausbildungsverordnung sonderpädagogische Förderung – AO-SF) gibt es seit dem 29.4.2005, also seit mehr als 15 Jahren. Es ist unverständlich, dass der Artikel 23.2 („Die Lautsprache und die Gebärdensprache sind gleichberechtigte Kommunikationsformen in allen Fächern.“) bislang nur unzureichend bis überhaupt nicht umgesetzt wurde. Um die Lautsprache und die Gebärdensprache als gleichberechtigte Kommunikationsformen in allen Fächern zu nutzen, müssen alle Lehrkräfte mindestens C1-Sprachniveau in Deutscher Gebärdensprache vorweisen. Dieses Niveau für Lehrende bedeutet eine Gleichberechtigung mit allen anderen Fremdsprachen, die an Schulen unterrichtet werden. |
Lösungsvorschlag:
Das Lehramtsstudium an der Universität zu Köln wird grundlegend reformiert. Alle Lehramtsstudentinnen und -studenten mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation müssen das Fach Deutsche Gebärdensprache und Deaf Studies studieren und in der Abschlussprüfung mindestens das Sprachniveau C1 nachweisen. Mit den erforderlichen Kompetenzen in Gebärdensprache und Kenntnissen in Deaf Studies erfüllen die sonderpädagogischen Lehrerinnen und Lehrer nach ihrer bestandenen Prüfung teilweise die Passagen der AO-SF (Artikel 23 Absätze 2 und 3). Wer das Fach Deutsche Gebärdensprache und Deaf Studies studiert hat, kann in allen Fächern (außer Englisch bzw. Fremdsprachen wie Französisch, Spanisch etc.) die Schülerinnen und Schüler mit Hörbehinderung sprachbarrierefrei unterrichten, indem sie den Unterricht insbesondere mit den gebärdensprachlichen und deafdidaktischen Materialien gestalten und eine gebärdensprachliche Kommunikation sichern können. |
4. Einführung des Fachs DGS an allen Förderschulen Hören und Kommunikation
Problematik:
Bis jetzt können nicht alle Förderschulen Hören und Kommunikation das Fach Deutsche Gebärdensprache für die hörbehinderten Schüler*innen aus zwei wichtigen Gründen anbieten: 1) Es gibt zu wenige gebärdensprachkompetente Lehrkräfte (Gebärdensprachniveau mindestens C1) an den Förderschulen Hören und Kommunikation in NRW (weniger als 5 % aller Lehrkräfte der Förderschulen Hören und Kommunikation). 2) Die Verordnung AO-SF regelt die Stundenangabe des Faches Deutsche Gebärdensprache nicht klar: (3) “Förderschulen und Schwerpunktschulen mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation sollen bei einem entsprechenden Bedarf im Rahmen der Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden die Deutsche Gebärdensprache (DGS) als eigenständiges weiteres Fach der Stundentafel anbieten, sofern die personellen und organisatorischen Voraussetzungen erfüllt sind.” In der Stundentafel sind die Stunden des Faches Deutsche Gebärdensprache nicht geregelt. Trotz der Anerkennung der Gebärdensprache im NRW-Inklusionsstärkungsgesetz können die gebärdensprachorientierten Schülerinnen und Schüler sich nicht mit ihrer Sprache – der Gebärdensprache – im Fach Deutsche Gebärdensprache an Förderschulen Hören und Kommunikation in NRW auseinandersetzen und reflektieren. (Hinweis: Im Vergleich dazu können die nichtbehinderten Schülerinnen und Schüler sich mit ihrer Sprache, also Deutsch, mit vielen Unterrichtsstunden im Fach Deutsch in den Regelschulen auseinandersetzen und reflektieren!) |
Lösungsvorschlag:
Klare Regelung für das Fach Deutsche Gebärdensprache, also genaue Festlegung einer Stundenanzahl in der Stundentafel für das Fach Deutsche Gebärdensprache. Dabei muss die Stundenanzahl wie im Fach Deutsch entsprechend hoch sein. |
5. Förderschulen Hören und Kommunikation zu sprachbarriefreien Schulen entwickeln
Problematik:
Die meisten Fachkräfte der Förderschulen mit Schwerpunkt Hören und Kommunikation (wie Sekretärinnen oder Sekretäre, Hausmeisterinnen oder Hausmeister, OGS-Betreuerinnen oder -Betreuer etc.) weisen kaum eine grundlegende Gebärdensprachkompetenz auf. |
Lösungsvorschlag:
Weiterbildung für alle Fachkräfte in Gebärdensprache |
6. Fortbildung für Lehrkräfte, die an der Förderschule Hören und Kommunikation in NRW arbeiten
Forderung: Alle Lehrerinnen und Lehrer der 15 Förderschulen Hören und Kommunikation müssen die Möglichkeit erhalten, ab sofort regelmäßig und langfristig in der Deutschen Gebärdensprache und im Fach Deaf Studies[1] geschult zu werden. |
Begründung:
An den Förderschulen sind noch Lehrerinnen und Lehrer tätig, die in der Ausbildung keinerlei gebärdensprachlichen Unterricht hatten. Teilweise haben sie Schwerhörigen-Pädagogik studiert, die ausschließlich lautsprachorientiert war. Durch den Zusammenschluss der ehemaligen Schwerhörigenschulen mit den Gehörlosenschulen sind daher immer noch viele Lehrer an den Förderschulen tätig, die keine oder nur eine unzureichende Kompetenz in der Deutschen Gebärdensprache und fehlende Kenntnisse in Deaf Studies haben. Das Fortbildungsbudget, welches den jeweiligen Förderschulen jährlich zur Verfügung gestellt wird, reicht überhaupt nicht aus, um daraus eine regelmäßige langfristige Gebärdensprachschulung des kompletten Lehrpersonals der jeweiligen Förderschule zu finanzieren. Im Rahmen der beruflichen Tätigkeit müssen alle Lehrerinnen und Lehrer nach bestimmten Jahren das Sprachniveau C1 erreichen bzw. nachweisen. |
Lösungsvorschlag:
Festanstellung der Dozentinnen oder Dozenten für Gebärdensprache als Fachlehrer an der Förderschule. Sie schulen regelmäßig und langfristig die Lehrkräfte an der Förderschule in der Deutschen Gebärdensprache und in Deaf Studies. |
Hinweis:
Die Forderung ist bezogen auf die Sicherstellung des Artikels §23 Absatz 2 der AO-SF: „Die Lautsprache und die Gebärdensprache sind gleichberechtigte Kommunikationsformen in allen Fächern.“ |
[1] Deaf Studies enthält neben der Gebärdensprache auch die Kultur der Gehörlosen- und Gebärdensprachgemeinschaft. Es werden weiterhin u. a. Kenntnisse über die behinderungsbedingten Besonderheiten sowie die sozialen, kommunikativen und institutionellen Rahmenbedingungen des Lebens von gehörlosen, ertaubten und schwerhörigen Menschen erworben. (vgl. https://www.hu-berlin.de/de/studium/beratung/angebot/sgb/deafkombi und https://www.hu-berlin.de/de/studium/beratung/angebot/sgb/deafmono) |
7. Fachlehrerausbildung für DGS-Dozentinnen und -Dozenten
Forderung: Alle Dozentinnen und Dozenten für Deutsche Gebärdensprache (Kurzform: DGS-Dozenten), die in der Förderschule arbeiten wollen, sollen langfristig zum Fachlehrer ausgebildet werden |
Begründung:
DGS-Dozentinnen und -Dozenten sind hörbehindert. DGS-Dozentinnen und -Dozenten als Fachlehrer an Förderschulen schulen Lehrkräfte an Förderschulen in Gebärdensprache und im Fach Deaf Studies. DGS-Dozentinnen und -Dozenten als Fachlehrerinnen und Fachlehrer an Förderschulen fördern die Kinder mit Hörbehinderung gebärdensprachlich und unterrichten das Fach Deutsche Gebärdensprache und das Fach Deaf Studies. Im bilingualen Unterricht Deutsch/ Deutsche Gebärdensprache kann eine DGS-Dozentin oder ein -Dozent als Fachkraft mit einer Lehrkraft der Förderschule im Team eingesetzt werden. Allerdings sind nicht alle DGS-Dozentinnen und -Dozenten für den Einsatz an Förderschulen geschult. Das soll in der Ausbildung sichergestellt werden. Es soll ein Ausbildungsseminar für die DGS-Dozentinnen und -Dozenten an einem zentralen Ort (z.B. Dortmund) in NRW eingerichtet werden. |
Lösungsvorschlag:
Ergänzung einiger Passagen in der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für Fachlehrerinnen und Fachlehrer an Förderschulen und in der pädagogischen Frühförderung (APO FLFS) (Ergänzung in kursiv):
§ 1 Ziel des Ausbildungsganges Ziel des Ausbildungsganges ist, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die fachlichen Voraussetzungen für die erzieherische, pflegerische und unterrichtliche Tätigkeit bei Schülerinnen und Schülern mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung oder für die Tätigkeit in der pädagogischen Frühförderung von Kindern mit einer Hör- oder Sehschädigung zu vermitteln oder unterrichtliche Tätigkeit bei Kindern mit Hörschädigung und Lehrkräften an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation in der Deutschen Gebärdensprache und in Deaf Studies, sie auf diese Tätigkeiten vorzubereiten und sie mit den Aufgaben ihres Berufes vertraut zu machen. § 2 Zulassungsvoraussetzungen (1) Zum Ausbildungsgang kann zugelassen werden, wer 1. einen mindestens mittleren Schulabschluss (Fachoberschulreife) besitzt und 2. a. nach Ableisten der in der Fachrichtung vorgeschriebenen Berufsausbildung die Prüfung als Handwerks-, Industrie- oder Hauswirtschaftsmeisterin oder -meister bestanden hat oder b. nach dem Besuch einer Fachschule für Sozialpädagogik die Abschlussprüfung bestanden und danach eine für die Laufbahn förderliche hauptberufliche Tätigkeit von mindestens einem Jahr und sechs Monaten ausgeübt hat. c. nach Ableisten der Fachausbildung die Prüfung als Dozentin oder Dozent für Deutsche Gebärdensprache (z.B. Uni Köln, GIB Bayern usw.) bzw. staatlich geprüfte Lehrerin oder Lehrer für Deutsche Gebärdensprache (Hessische Lehrkräfteakademie) bestanden hat. §8 Ausbildungsort (1) Die Ausbildung findet statt 1. in einem Seminar für Fachlehrerinnen und Fachlehrer in Ausbildung a) im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung, b) im Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung, c) im Förderschwerpunkt Sehen (pädagogische Frühförderung) oder d) im Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation (pädagogische Frühförderung) sowie 2. in einer entsprechenden Ausbildungsschule.
(2) Ein Seminar nach Absatz 1 Nummer 1 a-c außer d wird von einem Seminar für das Lehramt für sonderpädagogische Förderung an einem Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung eingerichtet. (3) Ein Seminar nach Absatz 1 Nummer 1 d wird von einem Seminar für das Lehramt für sonderpädagogische Förderung an einem Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung in Dortmund eingerichtet. |
Hinweis:
DGS-Dozentinnen und DGS-Dozenten sind hörbehindert. Die UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 24 Absatz 4 besagt folgendes: “Um zur Verwirklichung dieses Rechts beizutragen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen zur Einstellung von Lehrkräften, einschließlich solcher mit Behinderungen, die in Gebärdensprache oder Brailleschrift ausgebildet sind, und zur Schulung von Fachkräften sowie Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf allen Ebenen des Bildungswesens. Diese Schulung schließt die Schärfung des Bewusstseins für Behinderungen und die Verwendung geeigneter ergänzender und alternativer Formen, Mittel und Formate der Kommunikation sowie pädagogische Verfahren und Materialien zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen ein.” |